Führung interkulturelle Teams
Interview: Praxis-Tipps für Führungskräfte
Andreas Gailus | 25. Oktober 2023 | Interview
Andreas Gailus berät seit elf Jahren große und kleine Unternehmen zu den Themen Diversity Management, betriebliches Gesundheitsmanagement und Betriebskultur. Dabei steht das Miteinander im Fokus von gailus.ORG. Die Agentur arbeitet eng mit der Techniker Krankenkasse zusammen und liefert in Trainings und Workshops immer wieder Einblicke aus der Praxis. Im Interview erklärt Andreas, wie Führungskräfte das Thema Diversity Management
angehen können.
Welche Voraussetzungen muss eine Führungskraft mitbringen, um diverse Teams zu führen?
Es gibt da einen schönen Satz, der diese Frage beantwortet: „Feeling comfortable in uncomfortable situations“. Ganz so weit muss man vielleicht nicht gehen, aber wenn eine Person das überhaupt nicht kann, ist das natürlich nicht ideal. Führungskräfte brauchen außerdem gewisse Trendunabhängigkeit. Ein gutes Beispiel ist der Begriff Diversity Management. Das wird teilweise als Etikett verwendet, das zwar sehr wichtig ist, sich aber über die nächsten 20 Jahre ändern kann. Dann heißt es vielleicht ganz anders, aber der Inhalt bleibt derselbe.
Welche Stolpersteine gibt es für Führungskräfte, die diverse Teams managen?
Auf der Ebene der Betriebsleiter*innen und Teamleiter*innen sehe ich zwei Stolpersteine: Der erste ist, zu denken, dass alle Menschen gleich sind. Dieser Gedanke ist zwar moralisch nachvollziehbar, aber faktisch falsch. Es geht darum, zu erkennen, dass die Mitarbeitenden unterschiedlich sind und entsprechende Unterstützung bekommen, um
bestmöglich zu arbeiten. Es geht also weniger um Equality, sondern um Equity. Der zweite Stolperstein ist, die leisen und introvertierten Team-Mitglieder zu übersehen – vor allem Angestellte, die zu einer Minderheit gehören, sprechen teilweise aus Angst vor Ablehnung nicht. Führungskräfte sollten sich bewusst machen, welche Charaktere zu ihrem Team gehören, und alle sprechfähig machen.
Wie schaffen Führungskräfte in ihrem Team ein Bewusstsein für Diversity?
Kompetenztrainings, am besten auf eine gute Art „verpflichtend“, sind natürlich goldrichtig. So wird gerade neuen Mitarbeitenden vermittelt: „Das ist bei uns ein wichtiges Thema.“ Führungskräfte sollten außerdem einen gemeinsamen Nenner für ihr Team finden. Menschen, die bei der Arbeit ein gemeinsames Ziel verfolgen, nehmen die Unterschiede im Team viel besser wahr und sind toleranter. Ein gutes Beispiel für einen gemeinsamen Nenner sind für mich die Staatstheater Stuttgart. Die 1200 Mitarbeiter*innen, von denen die meisten eher hinter der Bühne arbeiten, haben das gemeinsame Ziel, dass am Ende des Tages der Vorhang aufgehen muss.
Wie lösen Führungskräfte in diversen Teams am besten Konflikte?
Wenn ein Konflikt immer wieder aufkommt, sollten Team Leads diesen auf der Meta-Ebene betrachten. Ist dieser Konflikt womöglich nicht lösbar? Sollte man anstatt einer Lösung für den einen Konflikt vielleicht eher an einer strukturellen Lösung arbeiten? Sollte etwas Neues entstehen, mit dem alle dauerhaft zufrieden sind?
Außerdem sollten sie sich von veralteten Plattitüden verabschieden. Nicht jeder Konflikt ist eine Chance. Stattdessen sollte man – etwas ungewohnt formuliert – Konflikten mit viel Niveau begegnen. Das schafft eine gesunde Distanz und eine ruhigere Kommunikation im Konflikt.
Und zu guter Letzt: Nicht jeder interkulturelle Konflikt ist auch wirklich ein interkultureller Konflikt. In der Praxis beobachte ich das besonders stark bei Subgruppen, die sich nicht grün sind. Führungskräfte sollten hier ein Vorbild sein und zum Beispiel den kulturellen Bezug aus der Kritik herausstreichen. Dann kann man den bestehenden Konflikt besser identifizieren und lösen. Man stellt beispiels- weise fest: Hier gibt es ein Problem, weil eine Person immer zu spät kommt und nicht weil die Person aus einem anderen Kulturkreis stammt.
Hast du Tipps, wie Führungskräfte ein Arbeitsumfeld etablieren können, in dem sich alle wohlfühlen?
Es sollte wenigstens eine strukturelle Maßnahme umgesetzt werden. Das heißt, dass zum Beispiel einmal im Monat beim Teammeeting der Punkt „Wie geht es allen?“ auf der Agenda steht. Außerdem hilft es, die Schuhe zu wechseln: Einfach mal einen Tag aus der Sicht eines Team-Mitglieds durchleben oder sich Feedback von Unbeteiligten einholen. Außerdem helfen die drei Bs: Belon- ging, Belonging, Belonging! Führungskräfte schaffen Zugehörigkeit, indem sie neue Mitarbeiter*innen in ihrem Team willkommen heißen. Das müssen keine großen Geschenke sein. Der Satz „Hallo XY, schön, dass du jetzt Teil des Teams bist“ vermittelt eigentlich schon alles, was es braucht, damit sich neue Mitarbeiter*innen willkommen fühlen.